„Jetzt ist Englisch wieder mein Lieblingsfach“

„White Horse Theatre“ zu Besuch an der Ludmilla-Realschule

“Are you ready to see the show?“, fragte Ellen vergangene Woche die Schüler der Ludmilla-Realschule. Ein lautstarkes „Yes“ ertönte aus den Kehlen von nahezu 350 Fünft-, Sechs- und Siebttklässlern, die im Kreis um die Bühne Platz genommen hatten. Die Schüler waren noch etwas skeptisch: Ein Theaterstück, komplett auf Englisch? Funktioniert das überhaupt? Es funktionierte – und wie!

Von Beginn an nahmen Schauspieler Ellen, Jess, Sam and Charles ihr Publikum mit auf die spannende, lustige und manchmal auch etwas unheimliche Reise des Dorfmädchens Gala. Der furchtbare Lord Morbus will die Herrschaft über das Land Underearth erringen, um es mit seinen menschenfressenden Woks zu bevölkern. Nur ein durch und durch gutherziger Mensch kann den Bösewicht stoppen. Gala wird als Personifizierung des Guten auserwählt, die Welt zu retten. Bewaffnet mit nichts als einem Spiegel und einem Kranz aus Gänseblümchen macht sie sich auf eine lange und gefährliche Reise durch Berge, Flüsse und Sümpfe, zum Schloss des Bösewichtes. Dabei trifft sie auf zwei Reisegefährten: den gut aussehenden Elfen Slightly und die hässliche, durch Folter entstellte Kreatur Gloop. Wem von ihnen sie tatsächlich vertrauen kann, stellt sich beim Showdown heraus, als sie dem Oberschurken gegenüber steht und ihm einen Spiegel vorhält. Lord Morbus stirbt und sie wird Königin von Underearth. Tosender Applaus für die Schauspieler und natürlich auch für das Gute, das am Ende immer siegt – so die schöne, den Jungen und Mädchen ganz nebenbei vermittelte Botschaft des Stücks.

Die Fünft- und Sechstklässler, die auch zeitweise mit in das Geschehen eingebunden wurden, hatten es mit Interesse und großer Spannung verfolgt. Die Geschichte stammt aus der Feder von Peter Griffith in Anlehnung an die berühmte Trilogie „Der Herr der Ringe“. Vom Sprachniveau ganz auf die Bedürfnisse von Anfängern zugeschnitten, hatten die Schüler dabei kaum Verständnisprobleme. Besonders die humorvolle Gestaltung – inklusive vieler witzige Dialoge und jeder Menge Spontanität – der jungen Darsteller kam gut bei den Realschülern an. Sie machten die Erfahrung, dass Verstehen nicht nur vom gesprochenen Wort abhängt. Selbst wenn man nicht jede einzelne Vokabel kannte: Die Schauspieler setzten gekonnt Mimik und Gestik ein, damit selbst die fünfte Jahrgangsstufe der Handlung gut folgen konnte. So wurde die Vorstellung nicht „nur“ zur unterhaltsamen Lernstunde, sondern auch zu einem echten Erfolgserlebnis; verstanden die Kinder doch ein ganzes Stück in englischer Sprache!

Im Anschluss erhielten die Schüler die Möglichkeit, mit den Schauspielern ins Gespräch zu kommen – natürlich ausschließlich auf Englisch. Dabei bewiesen die Fünft- und Sechstklässler, dass sie bereits gut in der Fremdsprache kommunizieren können. „Englisch mal auf unterhaltsame und spielerische Art: die beste Motivation fürs Fremdsprachenlernen“, erklärte Schulleiter Werner Groß. So sahen es auch Paula, Tanja, Julia und Anne aus der Klasse 6b. „Jetzt ist Englisch wieder mein Lieblingsfach“, erklärte Paula. Obwohl sie nicht alles genau verstanden haben, hat ihnen das Theaterstück sehr gefallen.  Nicht minder begeistert waren die Schüler der achten und neunten Klassen, die in den Genuss des Musicals „Lip Gloss“ kamen. Auch die fanden es sehr spannend, einmal mit „richtigen Engländern“ in Berührung zu kommen. Die wiederum lobten ihr tolles Publikum: „Thank you for being a great audience.“

Das „White Horse Theatre“ wurde 1978 gegründet und tourt mit mehreren Theatergruppen vor allem an Schulen. Aufgeführt werden englischsprachige Stücke mit pädagogischen Inhalten. „In einer Schule, in der jeder Schüler Englisch als erste Fremdsprache wählen muss und somit sechs Jahre Umgang mit dieser Sprache hat, in einem Schulsystem, in dem in jeder weiterführenden Schulform Englisch Pflichtfach ist, in einer Gesellschaft, deren Kultur- und Konsumbereich mehr und mehr durch angloamerikanische Einflüsse geprägt wird, sollte die englische Sprache nicht nur im Unterricht gehört und gesprochen werden, sondern auch außerhalb des Unterrichts als etwas Lebendiges erfahren werden, das man als Zuschauer verstehen kann, das man als Mitwirkender nutzen kann, um damit ein ganzes Spektrum menschlicher Gedankengänge und Emotionen auszudrücken“, erklärte die Organisatorin und Fachleiterin für Englisch an der Ludmilla-Realschule Silvia Wolf. Es gebe im Bayerischen Wald nahezu keine echte Lebenssituation, in der man Englisch sprechen muss. Die große Bedeutung, die der Beherrschung der englischen Sprache zukomme, würden die Kinder nicht erkennen – auch im Internet würden eher deutschsprachige Seiten besucht. Die Theateraufführung solle Impulse für die nächsten Schuljahre geben, um dann mit guten Englischkenntnissen von der Realschule entlassen zu werden.

Text: Uli Kimberger